Neu-Braunfelser Zeitung. (New Braunfels, Tex.), Vol. 18, No. 23, Ed. 1 Friday, April 29, 1870 Page: 1 of 4
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I
Heransgegeben und redigirt von Ferdinand S. Winiheiit er.
sabrgang 18
1870.
d ot a über $
Abonnement auf die 9. %. Zettung
eon No.
bis Do
für Herrn
Rein Vertrauen
Novelle
von
@ olo Raimund.
(Fortsetzung.)
Das Frübstück, kaum berübrt, stand
noch
auf dem Tische, und der Graf war schon
fertig a ngefleitet. Einzelne Dapierfeßzen fa-
gen zerrissen om Boden, und im Kamine
lag ein Haufen Asche und Stücke nicht gang
verkoblter Schriften.
Alerander, sagte der Graf feierlich, ic
ließ Dich rufen, weil ic beute meinen Wil-
len und mein ganzes Hab und Gut in Dei-
ne Hände niederlegen will. Meinen besten
Schaß, mein Kind, habe ic Dir schon vor-
abgegeben.
Bester Vater ! was hast Du vor ?" frag-
Alerander bestürzt.
G6 ist etwas, mein Junge, dem Du Deine
Zustimmung nicht versagen wirst, als Cb-
renmann und Edelmann. Tödtlic gefränft
in meiner Ebre, in dem Namen meines Hau
ses, der macelos ist, bleibt mir keine andere
«Genugthuung, als ein Duell.
Aber dann bin ic der Vertreter der Ver
fechter, ic der jüngere Mann, rief Aleran
der aufspringend. Trage ic nicht denselben
Namen, bin ic nicht ein Glied dieser
Familie, ist Dein Stol; nicht der meini
ge ?
No cb bin ic dae Oberbaupt der Familie
and der eigene Vertreter meiner Ebre, ent.
gegnete der Graf, ibn wieter in den Sessel
mederdrudkend, den er vorber eigenommen.
Nun böre weiter : wir stießen nur 6 Ceriti
Warr ere, fä ist mbglld, daß ic gebe —
11.
Temme nicht zurück. Sich mic nicht
genvoll an, Alerander, Du bist ein
und weist wie Männer süblen
glaube mir, wenn ic neben ibr
mir wäre geholfen,
will.
2illn Du mic denn
the näher einweihen ?
Mann.
Doch
wie
so sor
Mann
; und
läge —
Gott
nicht in die S1-
fragte der jun ge
• Rein, Alerander, ic möchte das nicht, ic
winsche, nicht darum befragt zu werden. —
Die Briefe auf meinem Sreiktisc besorgst
Du an ihre Adressen wenn ic nicht zurück-
komme. Dem Briefe nac Frankfurt fügst
Du 100 Louisdor bei uud wiederholst das
15 Jabre lang ohne zu fragen für wen und
weshalb. Versprich mir das mit Deinem
Wort.
Der junge Mann reichte ihm die Hand:
Mein Wort Darauf l
Dies ist mein letter Wille, fubr der Graf
fort, auf ein verffgeltes Packet Schriften
deutend, er is in geböriger Form abgefaszt.
Meine Wünsche in Bezug auf Paula fage ic
Dir mündlich! Du wirst sie erfüllen. Hal
te sie lieb und wertb Dein Leben lang, sagte
er und seine Stimme wurde weicher, sie ist
ein gutes Kind und gewöhnt an Liebe, von
Kindheit auf. Schüchtere sie nicht ein durch
Bern und Unversöbnticfeit, wenn sie mal
gefehlt, denn sie ist noch jung und Troß und
Launen haben mohl mal Gewalt über sie.
Erhalte Dir ihr Vertrauen durch Gerech-
tigfeit und Billigkeit, denn wo das Vertrau
en feblt, da ist die Lüge vor der Tbür, und
der Lüge folgt das Unbeil auf dem Fuße. Er.
zieht Euern Jungen zu einem braven, tücbti-
gen Mann, daß er ein wahrer Edelmann
wird und seinem Namen Ehre macht. —
Und nun will ic noc mal binabgebn zuyau-
la, und mich zum letzten Mal, wenn’s sein
soll, freuen an ibr und dem Kinde. Bleibe
Du noc bier; Du bist aufgeregter als ich,
weil Dir dieSache neu ist, und ic will nicht,
daß Paula die leiseste Ahnung von dem
Kommenden bat."
Bater, sagte der junge Mann, willst Du
mit nicht wenigstens sagen, wer Dein Geg-
ner in ?
Ein Zug des Unmutbs flog über desGra-
fen Gesicht. Ich bemerkte Dir, daß ich nicht
gefragt zu sein wünschte, indessen.
er
blieb sinnend steben — falls ibn das 2006
träfe, würdest Du es doch erfahren. Aber ich
bitte Dich, Alerander, laß es Deine letzte
Frage fein ; ich babe Gründe, nicht davon
zu reden. Vor allen Dingen mache ich Dich
verantwortlich, daß Du Dich in keiner Wei-
se einmischest, daß Niemand von der
Sache etwas erfabrt, bevor sie entschieden
ist; auch darauf will ic Dein Ehren-
wort.
Alerander schlug ein.
„Mein Gegner is — Kielsfy! sagte
Schlettendorf.
Ha! rief der junge Mann auffabrend,
also doch, er ist bier ? Aber das ist m e i n e
Sache, weine Ehre mein Kampf! Nun
weiß ic Alles, und ic dulde nict, Vater,
auch nicht von Dir, daß Du Dich zum Ber
treter unseres Namens machst.
„Bist Du von Sinnen," rief zürnend
der Graf, „daß Du ein Wort brechen
willst, dessen Schall noc kaum verflun-
gen ?"
Mein Gott, Du weist ja nicht -— rief au-
ßer sich der Baron.
Ic will auch nichts wissen! unterbrach
ibn ungeduldig der Graf. Was ic auc noc
erfahre, meinenEntscluß kann nichts umstim-
men. Es is wahrlich nicht die Zeit dazu,
Alexander, mic noch heftiger aufzuregen, u.
die letzte Stunde, die mir vielleicht bleibt, ge-
bört Paula.
Er ging und Alerandrr blieb zurück. Der
junge Mann war in einem nicht zu bescbrei-
benden Zustande. Ingrimm über die Treu-
losigkeit seiner Gattin, Durst nac Rache,
Sorge um den Grafen, der Stol; des Man
nes nnd die Bitterkeit verratbener Liebe
fämpfte in seiner Brust. D dies Wort, dies
Wort, was ibn gebunden mit unzerreiszba-
ren Ketten, während der Verräther ibm tri-
umphirend gegenüberstand ! Wie ein Kua
be sollte er suseben, wie ein Anderer seine
Ehre rein zu waschen suchte, zumNichtatbun
verdammt, zum Dulden, zum Ertragen. Zu
viel war es für das wild bewegte Hers des
jungen Mannes, zu viel, es auch nur Stun
den tang zu tragen, und Stunden mußten
vergeben, ehe der Kampf entschieden war,
ehe ibm auc nur die leiseste Auskunft oder
Genugtbnung werden konnte, — Er stieg bi-
nob in den Darf, er lief die schattigen Alleen
auf und ab ; er konnte nicht Rube finden. Er
durfte auch Paula nicht seben vor der Ent
scheidung; wie hätte er schweigen fönnen
der Trenlesen gegenüber, die so
namenlos Leid über die Ibrigen g -
bracht! —
Allgemach war auc die Zeit des Grafen
verflossen. Er stieg hinauf, bolte seinen Hut
nnd schlug dann den Weg durch den Park
ein. Vergebens sab er sich nach Alerander um,
er war nicht zu finden, und der Graf wollte
auc seinen Gegner nicht warten lassen. Er
traf zur rechten Zeit ein. Der Oherforst-
meister war schon da: gleich
fam Kirlefy, zuletzt der Doctor
ner.
Die beiden Männer grüßzten sich
nachher
20ag-
schwei-
gend; aber des Grafen Ruhe wich, als er
dem tödtlic Gehaßzten gegenüber stand. Er.
wurde todegbleid, Zorn und Verachtung
funkelten in seinen Augen, und seine Lippen
zuckten vor innerer Aufregung. Kielsky blieb
sich ganz gleich; leise, leise, summte
er ein Liedchen, und schlug
Taschentuche den Staub von
fein.
Der Platz war gut gewählt,
mit dem
den Stie-
umschla ssen
von mächtigen Eichen und bedeckt mit kurzem,
weichem Rasen lag er entfernt von dem
Geräusch der Arbeit und des Vergnügens.
Nur einzelne Töne von dem fröblichen Gang
der Feldarbeiter trug der leise Wind dann
und wann berüber, sonst hörte man nichte,
als das Zwilschern der Bögel, die in den
Aesten der Bäume sic jagtrn. Ge war wie
ein heimliches Plätzchen der Liebe, die kosen
will im seligenalleinsein, fern von dem spä-
benden Ange der Welt. Es war so schön,
dies Fleckchen Erde; so lockend leuchtete der
Sonnenstrahl durch die grünen Blätter, so
blau schien der Himmel, daß es war, als
wolle die Natur selbst die beiden Gegner
versuchen, abzulassen von der blutigen Ent-
scheidung. Aber welc verlockendes Gewand
sic au ch angelegt hatte — keiner der beiden
Männer schenfte ihr einen beifälligen Blick;
kein Gedänke der Reue kam in des Einen
fam in des Andern Herz, und eilig zogen die
leichten Wölkchen von dannen, die über dem
Platze standen, als wollten sie nicht Zeuge
sein von dem Austritte da unten.
Der Oberforstmeister übergab Jedem ein
versiegelies, mit dem Poststempel „Heidel-
berg" versehenes Packet, Pistolen nebst Ku-
geln enthaltend. Die Schritte waren abge-
messen, die Barriere gezogen. Kielsky sowobl
als Schlettendorf luden; aber des Letzteren
Hand zitterte vor Aufregung und Unge-
duld.
,3c bitte Sie, Schlettendorf, rubig!"
flüsterte Haldern, „so geht das Ding
nidt."
Die Gegner stellten sic auf. Der Ober-
Forstmeister sab nac rects, nac links —
er gab das Zeichen um Avanciren. Aber den
Graf riß die Leidens aft bin, beim ersten
Schritte feß er, und die Kugel sauste da
bin über Kielofy’s Kopf, ohne ihm einHaa r
gefrümmt zu haben.
Schlettendorf blieb steben, er rübrte kein
Glied, bo b keinenArm, um sich zu deck n;
er bot dem Gegner die breite, männliche
Brust und jetzt nicht mebr aufgeregt, schien
alle Rube ihm zurückgefebrt. Run kam
Rielaly: Bedächtig hatte er das wohlgepuzte
Glas in’e Auge gedrückt, und langsam vor-
schreitend zielte er mit teuflischem Gleichmut-
the. Er bob und senkte langsam die Pistole,
und ein ä che ln voll unaussprechlicher Ber-
achtung flog über des G afen Gesicht. Jetzt
war Kielofy seinem Gegner nahe, bis au
den letzten Schritt vor der Barriere, und er
mußte ibn genau auf’s Korn genommen
baben, denn er ließ die Waffe nicht wieder
fallen; er schoß — und ohne einen Laut
stürzte der Graf zu Boden. Die Kugel war
wohl gezielt und mitten durch’s Herz gegan-
gen. Haidern und der Arzt Rürzten hinzu;
man riß ihm den Rod auf, man richtete ihn
empor — umsonst ;
Er ist todt! sagte Wagner leise, die ging
durch’s Heri, und behutsam bettete er ihn
wieder auf den weichen Rasen, den jetzt dunk-
le Blutstropfen purpurn zu färben begannen.
Haldern war gang betäubt von Schrrden ;
er batte eg tommen sehen, und konnte es doch
nicht fassen. Aber Kielsfy riß ibn aus seiner
Bestürzung auf; er hatte, während man
dem Grafen beisprang, von ferne gestanden,
anscheinend theilnabmlos. Jetzt fam er nä-
her.
Ic erlaube mir, Herr Oberforstmeister,
Sie an tie Verpflichtung zu erinnern, die
Sie ntir gegenüber übernommen haben, sag-
te er und sab gleichgültig nieder auf den
Mann, der ibm mit edlem Vertrauen sein
Haus geöffnet, und dessen Ebre er dafür ser-
treten wollte, dessen Weib er gequält batte,
bis es im Grabe Rube fan d, den er selbst mit
Kaltblütigkeit erschossen, wie ein Stück Wild,
obne daß ein Wort des Bedauerns seinen
Lippen entschlüpfte.
„Da nehmen Cie! ee sind vier Rollen
zu je hundert Loutsdor, sagte Haldern mit
unverheblter Verachtung. Kielsfy nabm es,
berührte leicht seinen Hut und ging von
dannen, ohne noch einmal den Kopf zu wen-
den.
Lump! murmelte der Oberforstmeister,
er war des Schusses Pulver nicht wertb von
einer ebrlichen Hand. Aber nun, Doctor, nun
steben Sie mir bei; was wird das geben
regtes Gemütb, er bereuete es, den Auftrag
übernommen zu haben, und hielt sie nur
mitMübe davon ab, binaus nac dem latze zu
eilen. Das ganze chloß war inAlarm, u.dic
betäubte Dienerschaft konnte das Unglück
nicht fassen und begreifen, das Schlag auf
Schlag über ibre Herrschaft bereinbrach. G6
war ein Lau fen, ein Renne n, eine Bestür-
zung. Niemand wusste, was lassen, was an
fassen. Paula stand trostlos und bänderin-
gend am Feuster. End ic wurde auf dem
breiten Kieswege die Gruppe von Männern
sichtbar, die die Babre trugen bedeckt mit
weißzem Tuche. Alerander und der Dofter
folgten. Sie kamen näher und bewegten fi b
langsam über den Rasenplaß dem Schlösse
zu. Da war Paula nicht mehr zu halten, sie
flog die Treppen binab, über den Weg und
den Rasen, und die Männer setzten die Bab-
re nieder und wichen ebrerbietig auseinander.
Mein Vater, mein Vater!" rief die junge
Frau in herzzerreißendem Tone, ist es denn
wahr, das Gräßzliche?" und sie riß das
Tuch berab und bedeckte den bleichen, stum-
men Mund mit ihren Küssen, — Der Arzt
trat binzu, er führte sie weg mit sanfter Ge-
walt und legte sie an das Her; ibres Gat-
ten, ale wolle er ibr zeigen, was ihr geblie-
öen und wo sie Rube finden follte. Und an
dieser geliebten Stelle flossen ibre Tbränen
auch sanfter, und sie merfte es auch nicht, wie
er ein Anderer war, wie seine Lippen stumm
belieben, wie seineArme sie nicht umschlossen.
Sie wußte nur, daß Niemand den Verlust
so tief mit ibr füblte, als er; sie ahnte
nicht, ein wie viel gewaltigerer Schmerz ihn
erfaßt hatte, als der um den Geschiedenen.
Er betrachtete sie als Die sündlge Urheberin
all des namenlosen Unglücks, seine Bitterkeil
war größer, als sein Mitleid.
„Bleiben Sie bei ibr, trösten Sie
sie, ic kann es nucht!" bat er den Dec-
tor.
begreifen, was sein. Lippen leise sprachen.
Es konnte ja nicht sein; es war ja doc sein
Kind, was er in den Armen getragen. Dieß
nicht, o nur dicß nicht!’’ rief er angstvoll,
und der Ton klang wie ein beißc6 Gebet,
aber da stand es denno b; wie er auch rang,
keiner der kleinen schwarzen Schriftzüge ver-
änderte sich, um die schrecklichen Worte zu
mildern. Er wankte zurück an das Lager
des Grafen, und sein Haupt sant auf das
Kissen, auf dem sein treuester Freund im Le-
ben lag. Da legte eine leichte Hand sich auf
seine Achsel, und als er emporschreckte, stand
Paula neben ibm. Sie sprach kein Wort;
aber Tbräne auf Tbräne siel von den
schwarzen Wimpern glübend auf seine kalte
Hand.
„Zurück, zurück!‘‘ schrie er wie im
Wahnsinn, „rübre mic nicht an, entehrtes
Weib, entartete Tochter! Wie magst Du es
wagen, an das Sterbebett des Vaters 3u tre-
ten, der es versuchte, Deine befleckte Ehre
mit seinem Blute zu reinigen, u. der imHer-
zen Dir fluchen mußte!"
Sie starrte ibn an mit weit geöff-
neten Augen; der Schrecken lähmte ihre
Zunge.
„Ja," sagte er bitter, „Dein Galan, der
Vater DeinesKindes war’s, der ibn erschoß;
oder wagst Du noc zu lügcn bier an diesem
Bette ? Sein Mund zeugt nicht wider Dich,
er is stumm — für alle Zeit; aber dies
bat er mir überlassen, daß Du mich nicht be-
tbörst zum zweiten Male.
Sie riß das Papier aus seiner Hand, 1.
mit einem Male wurde sein furchtbarer Ver-
dacht ibr flar.
Alerander. sagte sie gitternd, ic bin un-
schnidig bei dem allmächtigen Gott.
Schweig, schweig !’’ rief er, auf daß nicht
die Todten aufsteben und zeugen widerDicb ;
drüben im Schlosse !
Es is entsetzlich, klagte der Doktor,
viel Unglück auf eiumal in eine Familie
reinbrechen zu leben.*
Die arme Baronin ! Vor allen Di
„so
be-
ntger
müssen wir forgen, daß die Leiche rubig und
ohne Aufseben in’s Soloff gebracht wird, u.
während Einer von uns bier bleibt, muß der
Andere sic nach einer Tragbahre undLeuten
umseben.
Das will Ic thnn, sagte Haldern; balten
Sie Wache bier, — In der Nähe desSchlos-
fes begegnete ibm Alerander. Er sab an
des Oberforstmeistere verstörtem Gesicht
sogleich den unglückseligen
Erist geblieben? rtef der
ängstlich.
Ja, nickte Haldern, es is
Ausgang Der
junge Mann
vorbei! Die
Kugel ging mitten durch’s Heri, und es war
ein braves Hera, was sie traf. Der Schurke
bat gezielt, o M nuten lang, und den besten
Flec hat er gewählt. Run ist es vorüber,
sagte er, die Wimperm trocknend, undSchlet-
tendorf, glauben Sie mir, ist gestorben. Aber
daß ervon derHand eines solchen Lumpen siel,
das thut mir web.
Alexander hatte thm wie in halber Betäu-
buug zugehört. „Ja, ja," sagte er dann, u.
is er auch ein Lump, der Vater bat ihm die
Ehre angethan, ic muß es auch, ic habe
dringendere Gründe.
„Aber er is fort," entgegnete Haldern,
Alles war dazu vorbereitet ; der Vater woll-
te es so."
Alerander seufzte. Nun denn, so sei es so
vorerst.
Er folgte still dem Oberforstmeister nac
dem Schlosse und gab selbst Befehle, die Lei-
che des Grafen hereinzutragen. Er ging mit
den Trägern hinaus nac demDlatze und bat
Haldern, Paula vorzubereiten. —Hier aber
stieß dieser, so vorsichtig er es ihr beibrachte
auf eine Leidenschaft des Schmerzes, die den
alten Herrn erschreckte und verwirrte. Er fand
nicht die rechten Trostgründe für ihr aufge-
Der stutzte befremdet ; aber er willfibrte
ibm Toch, und Alerander folgte deririce dee
Graf n in seine Gema der, während Paula
unten blieb. 9Gobl verlangte sie dringend
nac ihrem Gitten; allein der alteWGigner
sagte for, er sei beschäftigt um den Todten,
sie könne jeßt nicht binauf zu ibm, u. so blieb
sie allein mit ihren Thränen u. harrte seiner
Wiederfebr.
Dei@raf war auf sein Bett gelegt ; Aler-
ander sasz allein noc neben ihm; die An-
dern batten sic nac und nac entfernt, still
und beflommen. Der Baran sah düster vor
sic bin. Was war jetzt zu thun, was sollte
werden mit ibm, mit Paula ? —.O ibre Lage
war schredklic; sie selbst mußte sich ja anfla-
gen als die Veranlassung zu ihres VateraZo.
de. Und wie groß mußte ibre Schuld sein,
wenn der Graf auf diese Weise sie zu sübnen
strebte; Und er, der edle, bochberzige Mann,
mußte Das Opfer sein. — ,,Wäre ic an
Deiner Statt !" seufste er ; „jetzt sind Die-
ne Augen geschlossen für Deiner Tochter
Schande, Schande, schnell gefolgt dem Wei-
be Deines Herzen, dessen Wantel kein un-
reiner Hauch trübte, starbeftDu einen schnel
len, schönen Tod. Und ic lebe 31 ewiger
Qual, Der Gatte einer entehrten Frau, die
meine Liebe scbmäblic aerratben." Er war
aufgestanden, er ging unruhig im Zimmer
auf und nieder und stand plötzlich im Wobn-
gemach des Grafen. Da fielen seine Blicke
auf die Dapierstreifen am Boden, zerrissen
und zerknittert; er stießz sie mit dem Fuße
binweg. Doc an dem Gitter des Kamins,
wo ein Häuflein Asche ibm entgegenstarrte,
war ein Blatt bängen geblieben, zur Hälfte
verkoblt ! aber ein Theil noc leserlich und
deutlicher als Alles ein Wort, das er anstarr-
te wie bezaubert. Da stand mit grossen Buch,
staben ,,Kielsfy." Er trat binzu und 3og
das Blatt beraus; ein Theil fiel in Asche;
aber ein Stück behielt er in der Hand, ge-
nug, um über seine Znfunft zu entscheiden.
Es war ein Blait eines Briefes, und Aler-
ander’s unstäte Blicke d urchflogen folgende
Zeilen:
„,--und ic babe mic nicht gan: abge-
wandt von Dir; nur Tbränen mag ic nicht
und bberflüsfige Reue. Wir Münner lieben
anders als Ibr, und wo unser Gefühl nicht
ausreicht, da müßt ibr Euch sättigen an der
Liebe Eurer Kinder. Aber ic werde kommen
heute Abend, Dic sehen und unsern Kna
ben, und hoffentlich kommst Du mir mit dem
Frohsinn entgegen, der Dein größter Reiz
war. Ic weiß, wo ic Dich in finden habe.
Lebe wohl ! noch bin ic der Deinige.
Kieloty.”
Alerander starrte das Blättchen an; er
las und las, und sein Gehirn wollte nicht
hinweg von ihm, hinweg aus
be !
Das war zu viel, sie wollte
bob die Hände und that einen
meiner Nä-
sprechen, sie
Schritt vor-
wärte, aber plötzlich sank sie mit einemLaut,
der selbst Alerander’s Her3 erschütterte, an
dem Bette ibres Vaters zusammen. Leute
kamen herbei, man trug sie auf ihr Zimmer
und sie erwachte endlich in wilden Fieber-
pbantosieen. Tage lang rang
Tode, aber die Jugend, die
Kraft siegte; sie blieb ihrem
ten. In den langen Tagen
sie mit dem
ungeschwächte
Kinde erbal-
und Mächten
war Alerander nicht von ibrer Seite gewi-
chen, hatte keinen Schlaf sic gegönnt, keine
Rube. War e6 Mitleid ? war es die alte
Liebe, die noc Wureyl hatte in
seinem Herzen, oder vielleicht ein Zweifel
an ihrer Schuld ? Denn in ibren Fieber-
pbantasieen, da jammerte sie und beschwor
ibn mit tausend Thränen, sie nicht zu ver-
stoßen, und bat Gott, daß er Hülfe senden
möge und ihre Unschuld bemeisen. Dann zit-
terte er wobl und der Angsschweisz trat auf
seine ©tirne. Aber wieder dachte er daran
wie er Rielofy in ibrem Schlafzimmer er-
blickt, an einem Tage, wo sie sic weigerte
mit auszugeben. Er gedachte, wie der Graf
ibm vertraut, daß seine Ebre tödtlic ge-
fränft sei durch den Polen, zu derselben
Zeit, zu einer Zeit, wo ibm Kielsty’s An-
we senbeit verheimlicht ward. Und nun der
Brief in des Grafen Zimmer; er batte ibn
offenbar verbrennen wollen, um den Boron
über die Schuld seiner Gattin im Dunkeln
zu lassen, und eine rächende Nemesis batte
dies Blättchen bebütet. Dann wandte er sic
ab von ibr ibr und stieß das Kind von sich,
als bätte einer Natter ibn berübrt.
Der Graf war unterseß bestattet. Der
Oberforstmeister batte nac bestem Gewissen
vor Gericht ausgesagt, allein über den ge-
beimnisvollen Grund dieses Duells warNie-
mand im Klaren, Kielsky war vor Jahren
nur einige Tage auf dem Schlosse gewesen.
Wenige nur kannten ibn, und von seinem
letzten Aufenthalt wußte Niemand ; kein
übler Verdacht traf daher Marie. Auch au-
la’s plötzliche Erkrankung fiel nicht auf;
man hatte Grund genug, sie deu letzten er-
greifenden Vorfällen zuzuschreiben, und die
ermüdete Sorge, die ibr Gatte ihr in den
Tagen der Gefabr zu Theil werden ließ,
gestattete auch nicht der lei sesten Vermu.
tbung Raum, daß das innige Verhältniß
dieses gestört sei.
Aber als Paula’s Bewusstsein wiederkehr-
te, da zog Alerander sic zurück. Sie schien
sich auf Alles zu besinnen. Denn keine Fra-
ge nac ihm fam über ibre Lippen. Aber sie
verlangte nach ihrem Kind, und sie begrüßte
ihn mit einem Strom von Tbränee, als der
Kleine zum ersten Male sein Köpfchen an ib-
re fieberheiße Wange legte. Alexander er-
kundigte sic obne Unterlaß, und des Nachts,
wenn er sie schlafend wähnte, dann schlich er
herbei und stand an ihrem Lager. Aber sie
schlief nicht immer sie börte die Seufzer, die
aus seiner Brust emporstiegen und einmal
fühlte sie sogar Thränen n iederfallen auf ib-
re Stirne. Sie wußte nicht was sie wollte,
ob sie ihn bassen sollte wegen seiner ungerech-
ten, sie entebrenden Anklage, oder ibn bemit-
leiden um seines tiefen Elends willen. End-
lic erhob sie sic von ihrem Lager, die Rräf-
te kehrten wieder, nnd an einem warmen,
sonnigen Augustinorgen setzte man ibr zuerst
einen Lehnstuhl auf die Terrasse. 20ie war
sie verändert ! Wohin war der Glang ge-
kommen dieser schwarzen Augen und das
strahlende Lächeln der blühenden Lippen !
Mit eingefallenen Wangen und erloschenen
Blicken starrte sie theilnabmlos auf die be-
kannte Umgebung und in die einst geliebten
Gesichter. Kein Lächeln stahl sich über das
bleiche Untlit, kein Wort entrang sich ihren
Munde und sie hatte kein Obr für das leise
Weinen ihrer treuen Sybilla, die hinter ib-
rem Stuhle stand. Aber als ihr Blid auf das
Kind fiel zu ibren Füßen, da veränderte sich
ihr Ausdruck; ein unendliches Mitleid zud-
te in den bleichen Zügen und ihre Augen
füllten sich mit Thränen. Sie machte eine Be-
wegung es empor zu heben, aber es ging
nicht, sie war zu schwach. Das Kind sab es,
Froc herbei und umfaßte schmeichelnd ihre
Kniee mit seinenAermchen, und Paula brach
in lautes Weinen aus. Dapa, rief der Kna-
be und zeigte auf Alerander, der starr die
Mutter und das Kiud beobachtet hatte ; der
Baron machte rasch einigeSchritte vorwärts,
als wolle er auf sie zueilen, offenbar riß sein
Her; ihn bin ! aber Paula wandte denKopf,
rief ibrer Dienerin und ließ sic in ihr Zim-
mer führen, ohne nac ihm sich umzuse-
ben.—
Das unverboffte Begegnen hatte sie gang
um die mübsam errungene Fassung ge-
bracht; zum ersten Male flog der Gebanke
durc ihren Kopf t „Was werden die Leute
denken von diesem gestörten Verhältniß, und
welche Gerüchte sind im Umlauf über mich ?
Ihre Unrube wuche, je mebr sie diese Ge-
danken sic ausmalte, und seit diesem Augen-
blicke glaubte sie tn jedem Gesichte der Die-
nerschaft sowohl, als in den ehrlichen Zügen
des alten Hausarztes eine schlecht verbebite
Mißachtung oder ein zweifelhaftes Mitleid
zu erkennen. Das drückte sie noc tiefer, u. zu
ibremKummer kam das demüthigende Gefühl
unverdienter Verachtuug.
Doch mit der Gesundheit kebrie auc allge-
mach die geistige Kraft zurück, und je mebr
sie zunabm, je fester wurde dielleberzeugung
in ibr, daß hier ihres Bleibens nicht sei. Zu-
erst sprach sie davon zu dem Arzte. Lieber
Doctor, begann sie eines Tages, Sie sind
mein Freund von Kindheit auf, u. ic scheue
mic nicht mebr, Jonen ein Bekenntnis ju
machen, daß ic eigentlich kaum nötbig bätte
zu geben. Sie werden ja selbst gesehen ha-
ben, wie ic plötzlich von der schwindelnden
Höhe des Glückes herabgesunken bin, wie
ic in wenig Tagen Alles verloren, Vater u.
Mutter — anc meinen Gatten," fügte sie
leise binzu, wenigstens sein Herz. Ic weiß
es nicht, ob mein Mann ihn ausgesprochen
bat gegen Sie, den furchtbaren Verdacht,
der mit seiner Schwere mic zu Boden drüdt ;
hat er ee nicht, so erlassen Sie mir, seine An-
flage zu wiederholen. Wissen nur Sie das
Eine: Alerander ist in einem unseligen Jrr-
thum befangen, der uns beiden den Frieden
unserer Zufunft kostet. Sie werden begrei-
fen, welch’ furchtbaresLeben ic unter diesen
Verhältnissen führe, welche Kämpfe ich täg-
lic zu besteben habe. Ic bitte Sie, mir au
sagen, ob es möglich ist, daß ic gehe, weit,
weit, wo Niemand mic kennt und Nieman»
mic fragt. Ich bin nicht so schwach, wieGie
glauben, ic bin ganz wohl, mir feblt nicht
die Kraft, nicht die Röthe der Gesundheit;
glauben Sie mir, es is nur der Ausdrud
des Glückee, der Ihnen fehlt in meinem An-
gesicht, und, lieber Doctor, vasGlüd föunen
Sie mir wobl nicht wiedergeben. Aber Rube,
die wird kommen, in gewisser Beziebung,
wenn ic gehe. D mein theurer Freund, es
is doch ein schönes Ding um ein gutes Be-
wuß sein, und das bat der Sturm übrig
gelassen, der die Blüthen meines Glückes -
fnicte."
[Fortsetzung folgt.)
Auf dem Maskenball.
R eizende Schäferin, darf ich dicb in dein
Arkadien, in dein stilles Thal zurüdführen 1
Ach was Akazien ! Fübren sie mir lieber
in’n Speisesaal — ich falle um vor Hun-
ger!
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Lindheimer, Ferdinand J. Neu-Braunfelser Zeitung. (New Braunfels, Tex.), Vol. 18, No. 23, Ed. 1 Friday, April 29, 1870, newspaper, April 29, 1870; New Braunfels, Texas. (https://texashistory.unt.edu/ark:/67531/metapth1651983/m1/1/: accessed May 21, 2024), University of North Texas Libraries, The Portal to Texas History, https://texashistory.unt.edu; crediting Texas State Library and Archives Commission.